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'Schwarze Bestien, rote Gefahr'

Rassismus und Antisemitismus im deutschen Kaiserreich - Campus Forschung 909, Campus Forschung 909

Erschienen am 06.11.2006, Auflage: 1/2006
52,00 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593381893
Sprache: Deutsch
Umfang: 425 S.
Format (T/L/B): 3 x 21.4 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Um den Kolonialkrieg des Kaiserreichs gegen die Herero und Nama in Afrika zu rechtfertigen, wurden diese als blutdürstige Bestien dargestellt. Frank Sobich zeigt, wie dieses Bild sich in der deutschen Öffentlichkeit durchsetzte, und verfolgt seine weitere Geschichte: Bei den Reichstagswahlen von 1907 wurden die 'schwarzen Bestien' zusammen mit der 'umstürzlerischen ' Sozialdemokratie und dem angeblich feindlichen Ausland zu einer nationalen Bedrohung aufgebauscht.

Autorenportrait

Frank Oliver Sobich promovierte an der Universität Bremen und arbeitet in der Jugend- und Erwachsenenbildung.

Leseprobe

Das Deutsche Kaiserreich und seine Kolonien sind in den letzten sechs, sieben Jahren wieder verstärkt in das öffentliche Interesse gerückt. Sei es, weil sich "Deutschlands erster >Griff nach der europäischen Union<" schon bald zum hundertsten Mal jährt - und auch ohne den I. Weltkrieg zu einer >Urkatastrophe< zu mystifizieren, verspricht dessen Vorgeschichte doch einigen Aufschluss über die Entwicklung des 20. Jahrhunderts zu geben. Sei es, weil die politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzungen rund um den hundertsten Jahrestag des Aufstandes der Herero den Blick dafür geschärft haben, dass das Deutsche Reich wirklich Kolonien besessen hat, und dass die Unterwerfungs- und Ausrottungsfeldzüge des Dritten Reichs nicht eine Episode in der deutschen Geschichte darstellen, die sich aus einem ansonsten merkwürdigen, aber bis dahin eher etwas kurios-harmlosen >Sonderweg< ergeben haben. Sei es, weil heute als Endpunkt des "langen Wegs nach Westen" (Winkler) die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Europäischen Union zu einem Akteur von internationalem Gewicht geworden ist. Egal ob man "die gleichen Argumente, die gleichen Triebkräfte, die gleichen Schauplätze, die gleichen Achsen" am Werke sieht oder hofft, Deutschland werde seine "Mittellage" in einem ebenso "moderaten, wie moderierenden Sinne" verstehen - ein Blick auf die imperiale Vergangenheit Deutschlands verspricht den einen oder anderen Erkenntnisgewinn. (Sollten sich Parallelen ergeben, wäre freilich noch die Frage, was für Schlussfolgerungen sich daraus ergeben würden). Um die Wahrheit zu sagen, all diese Gründe hatten mit der Entstehung dieser Studie wenig zu tun. Als ich 1997 den Entschluss fasste, mich mit den "Hottentotten-Wahlen" und ihren Auswirkungen zu beschäftigen, war ich - sensibilisiert durch die gravierenden Einschränkungen des Asylrechts und die dem vorhergehenden öffentlichen Diskussionen fasziniert von der Wirkung einer rassistischen und nationalistischen Kampagne auf die sozialistische Arbeiterbewegung und ihre Funktion beim Anpassungsprozess der Sozialdemokratie. Die Aufstände in Südwestafrika selber waren mir aus meinem Geschichtsunterricht in Erinnerung, damals bildeten sie aber gerade mal die bekanntesten Punkte eines insgesamt eher randständigen Themas. Das Interesse an der Funktionsweise einer solchen öffentlichen Kampagne und ihrer Wirkung ist geblieben, aber es sind mit der Zeit andere Fragen hinzugekommen: Nach dem Verhältnis von Realität und rassistischer Wahrnehmung, nach der Bedeutung und dem Eigensinn von negativen und positiven Bildern für rassistische Weltbilder, nach Genese und Bedeutung des Antisozialismus, nach dem Verhältnis von privatem Ressentiment, öffentlicher Meinung und Außenpolitik. Einige frühe Arbeitshypothesen, wie etwa die Vermutung, die Kampagne gegen die Herero und Nama sei stark sexualisiert gewesen, oder die Annahme, die Kriegsbegeisterung 1914 habe ein klassen- und regionenübergreifendes Phänomen dargestellt, mussten als falsch aufgegeben werden. Punkte, die mir zunächst zentral erschienen, etwa die Nationalisierung des Parteiensystems oder die Eigendynamik des "Elektionismus" der Sozialdemokratie, sind mit der Zeit an den Rand des Forschungsinteresses gerückt. Das, was diese Arbeit als Erweiterung anderer Untersuchungen der "Hottentotten-Wahlen" zu leisten versucht, die inhaltliche Analyse des Wahlkampfes 1906/1907 anhand von Flugblättern, eröffnete sich als Forschungsperspektive erst in der heißen Phase, als diese Arbeit im Kopf des Autors bereits - andere - Gestalt angenommen hatte. Forschungsgegenstände und Fragestellungen Die folgenden Kapitel fokussieren die mittlerweile umfassend untersuchten Aufstände der Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904-1907 und die ebenfalls gut untersuchten, aber deutlich weniger präsenten Wahlen und den Wahlkampf 1906/1907 in dreierlei Hinsicht: Zum einen als bislang ignorierte Vorgeschichte der Kampagne gegen die "schwarze Schmach" 1919, die bleibende Bedeutung

Inhalt

Inhalt Einleitung Forschungsgegenstände und Fragestellungen10 Methode und Forschungsperspektive15 Postkolonialer Perspektivwechsel und traditionelle Kolonialgeschichte18 Volk, Nation und 'Rasse'19 Rassismus und Nationalismus24 Rassismus und Kolonialismus - Derivate des Nationalismus?27 Kritik der Vorurteils- und Stereotypenforschung28 Sinn und Funktionsweise rassistischer Vorstellungen31 Die Macht rassistischer Vorstellungen34 Quellenlage und Schreibweise37 1. Aufstände und Kriege in 'Deutsch-Südwest' Deutschland als Kolonialmacht42 Deutschland und 'Deutsch-Südwest'47 Die Gründe des Aufstands der Herero50 Aufstand, Krieg und Vernichtung54 Der Aufstand der Nama63 Gefangenenlager und Zwangsarbeit65 Bilanz des Krieges66 Neue Politik und Verschärfung des kolonialen Rassismus68 2. Die Aufstände in der deutschen Öffentlichkeit Die südwestafrikanischen Aufstände im Deutschen Reichstag73 Der Aufstände in der bürgerlichen Presse79 Die Aufständischen als Bestien: Die 'Gräueltaten' der Herero81 Bürgerliche Analysen der Gründe für den Herero-Aufstand86 Der Aufstände in der sozialdemokratischen Presse90 Der Konflikt um die Missionare 97 Kriegszieldiskussion in Deutschland100 Das 'System Trotha' in der deutschen Öffentlichkeit104 3. Das neue Bild der 'Schwarzen' Zwischen 'edlen Wilden' und 'geborenen Sklaven'112 Die erste Vereindeutigung: Negatives Naturwesen115 Kolonialer Wettlauf und die Biologisierung des Rassebegriffs118 Zweiteilung des Naturwesen-Schemas: Kind und Tier122 Kräfteverschiebungen im kolonialen Diskurs125 Das neue Bild der 'Schwarzen' und der deutsche Rassismus130 Politische Konjunktur und gesellschaftliche Feindbilder139 4. Rassismus und Antisozialismus Rassismus und kapitalistische Entwicklung145 Französische Revolution und Entstehung des Proletariats149 Die Pariser Kommune: Bedrohung durch die Masse 152 Der Nationalstaat und die Angst vor dem Volk154 "Da unten" - die Entdeckung der 'wilden' Welt der Arbeiter157 1890 - neue Kampfbedingungen, neue Kampfformen161 Der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie163 Zwischen Herrenstandpunkt und Sozialreform165 Umorganisation der antiproletarischen Topoi167 Widerlegungen sozialistischer Theorien171 5. Sozialdemokratie, Kolonialpolitik und das deutsche Kaiserreich Politischer Klassenkampf und soziale Ausgrenzung177 Die Arbeiterbewegung als Ersatzvaterland181 Krisentheorie und Fortschrittsoptimismus184 Das objektive Dilemma der Sozialdemokratie186 Die "doppelte Loyalität" der Arbeiterbewegung188 Zwischen liberaler und sozialistischer Kolonialkritik190 Die sozialdemokratische Debatte über den Herero-Aufstand193 6. Nationale Formierung und Weltpolitik Organizistischer Nationalismus und 'Feindabwehr'200 Völkischer und kulturalistischer Nationalismus201 Nationalstaat und 'Reichsfeinde'206 Der 'Staat der Junker' und sein Volk207 Nationalisierung des Parteiensystems und Antiparlamentarismus210 Von der großpreußischen Außenpolitik zur 'Weltpolitik'213 Schutzzoll und Heeresstärke216 Neue und alte Rechte220 7. Die Auflösung des Reichstags: Eine Krise des Kaiserreichs? Kolonialskandale und 'Kolonialmüdigkeit'225 Die innenpolitische Stimmung 1906228 Die außenpolitische Interpellation Bassermanns228 Die große Abrechnung mit der Kolonialpolitik232 Das Vorspiel zum 13.12.1906235 "Wenn Sie wollen, haben Sie die Krisis!"238 Die Reaktionen der Parteien240 Die Auflösung - Verzweiflungstat oder Krisenstrategie?242 8. Bülow-Block und Zentrum Rolle des Staatsapparates248 Nationale Mobilisierung und Parteienkonkurrenz249 Antisemiten und Block253 Neue Rolle der Liberalen254 Außerparlamentarische Schützenhilfe256 Stimmen von der Basis259 Bülow-Block - taktischer Streich oder tragfähige ...

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